top of page

Im Haus der Puppen

Marionettenmuseum Antonio Pasqualino | Palermo



Ein alter Duft bewohnt dieses Haus, ist Gastgeber, Hausherr und legt sich wie ein gut sitzender Mantel um jede:n Bewohner:in. Er zieht die Stoffe der Kriegerinnen, Diener und Edelleute zurecht, vertreibt sich die Zeit mit ihren Heldengeschichten, für die sie noch immer herausgeputzt sind. Auch zottelige Waldgeister hat er lieb gewonnen und streicht ihnen wohlwollend durch das Haar, bevor er die hohen Äste der Pappmache-Bäume besucht. In den Winkeln abseits der Scheinwerfer zieht er sich dann mit der Zeit zurück. Tauscht mit ihr Erinnerungen aus, die sich in den Dielen verstecken. Erinnerungen an große Auftritte und greifbares Staunen. Erinnerungen, die in diesem Haus mit ihm wohnen und stets erneuert werden.


Noch heute hat jede:r Bewohner:in im internationalen Marionettenmuseum Antonio Pasqualino einen angestammten Platz, kennt seine oder ihre Aufgabe. Sie haben das eine Gesicht. Sind für die eine Rolle geschaffen. Tragen ihre Kostüme mit Stolz. Mit weit aufgerissenen Augen sehen die Holzgesichter mich und alle anderen an, die an ihnen vorbei ziehen - für immer lachend, für immer grimmig, für immer kämpferisch.


Das Museum im Herzen Palermos ist ein Ort, an dem die Tradition des sizilianischen Puppenspiels erhalten und diese Kunstform an sich mit Ausstellungsstücken aus aller Welt zelebriert wird. Objekte und Puppen werden hier gesammelt und den Besucher:innen zugänglich gemacht. Doch da eine Tradition wie das Theater von der Aufführung lebt, erzählen die Marionetten noch heute ihre Geschichten auf der Bühne. Dieses Museum ist eine Institution, die auf diese Weise eine Kunst samt ihrer angebundenen Gewerke am Leben erhält und zu internationalem Rang verhilft. Das sizilianische Puppentheater wurde 2008 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.


Die Zeit kommt unablässig aus den Winkeln des Museums hervor gekrochen und zieht an den Holzgesichtern vorüber. Mit metronomgenauen Schritten durchstreift sie das Haus, Tag um Tag, Jahr um Jahr. Nichts geht spurlos an ihr vorbei. Sie bringt das Neue hervor, verwirft Altes, verändert die Welt und die Menschen. Sie scheint schneller und immer mannigfaltiger zu werden. Die Gestalten des Marionettenmuseums und ihre passionierten Kulturpfleger:innen nicken ihr wohlwollend zu und gehen gemeinsam mit dem väterlichen Duft des Hauses ihrem Tagwerk nach: Ihre geliebte Tradition täglich aufs Neue lebendig halten.




bottom of page